

STÖRTEBEKER FESTSPIELE 2018
HISTORISCHER
HINTERGRUND
Am 24. Oktober 1375 starb der dänische König Waldemar IV. Atterdag. Waldemar Atterdag
hinterließ zwei Töchter, Ingeborg und Margarete, die außerhalb Dänemarks verheiratet wa-
ren. Ingeborg, die ältere Tochter, war mit Herzog Heinrich III. von Mecklenburg verheiratet,
dem Bruder des schwedischen Königs. Nach deutschem Erbrecht wäre ihr Sohn Albrecht IV.
der Jüngere erbberechtigt gewesen, was zudem durch eine Erbfolgeregelung zugunsten Alb-
rechts durch Waldemar im Jahr 1371 noch gestützt wurde. Allerdings besaß Dänemark eine
Wahlmonarchie und war kein Gebiet des deutschen Rechts. Margarete, die jüngere Tochter
Waldemars, war mit dem norwegischen König Hakon VI. verheiratet und reklamierte für ihren
Sohn Olaf VI. den dänischen Thron.
Rechtlich war aus dänischer Sicht die Situation offen, es kam nun für beide Parteien ganz
darauf an, einen möglichst großen Anhang für die eigene Sache zu gewinnen. Wieweit dies
allerdings die in die Schiedsrichterrolle gedrängte Hanse beeindrucken würde, war unklar.
In dieser Lage entbrannte der – nicht nur – politische Kampf zwischen den beiden Lagern.
Die geschickte Diplomatie Margaretes in Dänemark, bei gleichzeitig unklugem Verhalten Alb-
rechts gegenüber dem dänischen Adel, führte schließlich am 3. Mai 1376 zur Wahl Olafs VI.
zum dänischen König – mit dem Einverständnis der Hanse.
Das mecklenburgische Herzogshaus musste zusehen, wie sich die politische Konstellation
zu Ungunsten Albrechts IV. entwickelte, und verfiel dabei „auf einen eigenartigen Ausweg“,
indem es bei den zahlreich in der Ostsee vertretenen Seeräubern um deren Teilnahme am
Kaperkrieg der Mecklenburger gegen Dänemark warb. D.h. die mecklenburgischen Fürsten
gaben nicht so ohne Weiteres ihren Kampf um die dänische Krone auf, die nach ihrer Ansicht
Albrecht zustand, und traten in einen Kaperkrieg gegen Dänemark ein.
Allerdings ließen sich die Seeräuber nicht dazu bewegen den Kaperkrieg vollständig auf den
Gegner Dänemark zu beschränken. Immer häufiger überfielen sie auch hansische Schiffe,
was sicher nicht im Interesse der mecklenburgischen Herzöge und schon gar nicht im Inte-
resse der Hansestädte Rostock und Wismar liegen konnte.
Im Jahr 1394 werden Klaus Störtebeker und Goedeke Michels zum ersten Mal eindeutig als
Hauptleute der Vitalienbrüder genannt werden. Man muss feststellen, dass Störtebeker und
Michels über eine Reihe von Jahren eine überaus starke Wirksamkeit entwickelt haben und
sie zuerst in der Ostsee, später auch in der Nordsee als gefürchtete Seeräuber galten.
Natürlich war schon recht früh deutlich geworden, dass die Eröffnung des Kaperkriegs gegen
Dänemark durch die Öffnung der mecklenburgischen Seehäfen für alle, die das Reich Däne-
mark schädigen wollten, eine Macht heraufbeschwor, die letztlich von niemandem mehr zu
kontrollieren war.
Eine Beendigung des Krieges zwischen Mecklenburg und Dänemark würde zeigen, inwieweit
sich die Piraten und ihre Kaperzüge verselbstständigt hatten und ob ihr Zusammenhalt und
die Autorität ihrer Hauptleute stark genug waren, um ihre Existenz auch über den Krieg hinaus
zu erhalten.
aus: Dr. Matthias Puhle
Die Vitalienbrüder.
Klaus Störtebeker und die Seeräuber der Hansezeit
Campus Verlag ISBN 978-3-593-39801-3